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Bucher – Schwarzrotgold im Sternenbanner

Von Peter S. Kaspar

Erzählt wird die Geschichte des Sebastian Bucher aus Rottweil, der mit 16 Jahren in die Wirren der deutschen Revolutionsjahre 1848/49 gerät. Er lernt den charismatischen Führer der badischen Revolution, Gustav Struve, kennen und schließt Freundschaft mit Carl Schurz, einem jungen Revolutionär, der nur ein Jahr älter ist als Sebastian. Mit Schurz gelingt ihm eine abenteuerliche Flucht aus der belagerten Festung Rastatt. Wie 80 000 seiner Leidensgenossen wird auch Sebastian Bucher ins Exil getrieben, das ihn über die Schweiz, Frankreich und England schließlich in die USA führt. Während Schurz als  Berater des späteren Präsidenten Abraham Lincoln Karriere macht, wird Sebastian Journalist. Die einstigen Revolutionäre zerstreuen sich in alle Winde. Doch als 1860 der amerikanische Bürgerkrieg droht, finden sich viele wieder zusammen, ungeachtet mancher Differenzen, die inzwischen aufgetreten sind. In New York wird das achte Infanterie-Regiment aufgestellt, das sich ausschließlich aus ehemaligen deutschen Revolutionären zusammensetzt. Struves Frau Amalie stiftet dem Regiment die Fahne. Es ist das schwarzrotgoldene Banner der Revolution und soll die Deutschen im blauen Rock daran erinnern, dass sie in den USA nun auch für Freiheit und Demokratie in Deutschland in die Schlacht ziehen.

Die Deutsche Einheit hat es schwer, sich gegen die Vorurteile des Generalstabs zu behaupten. Die erste Schlacht des Krieges bei Bull Run überstehen die „Achter“ ziemlich unbeschadet. Im Frühjahr 1862 wird die Einheit General John Frémont unterstellt, der in West-Virginia den Südstaatengeneral Thomas Stonewall Jackson aufspüren soll. Im Juni kommt es in Cedar Creek zur Schlacht.

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Es war gespenstig ruhig. Noch lagen alle in Deckung. Sebastian schlug das Herz bis zum Hals. Sein Blick wanderte entlang der Männer, seiner Männer, die hier versteckt in dem Graben lagen. Alle hatten sie auf Befehl ihre Bajonette schon aufgepflanzt. Direkt neben ihm lag ein junger Pfälzer, es war der Fahnenträger, der die schwarzrotgoldene Fahne trug. Seine Hände klammerten sich um das Holz, bis die Knöchel weiß hervortraten. Sebastian schaute sich um. Die Geschütze wurden herangefahren. Sie waren noch nicht aufgebaut. ,Verdammte Schlamperei’, dachte Sebastian, denn die Artillerie war dem Zeitplan fünf Minuten hinterher. Plötzlich hörte Sebastian einen Schrei: „Zum Angriff“, der sich durch die dunkelblauen Reihen fortsetzte. Unmittelbar darauf folgte das Trompetensignal. Ohne nachzudenken sprang er aus dem Graben, riss seinen Säbel heraus und rief: „Mir nach“. Mit lautem „Hurrah“ folgte ihm die vierte Kompanie nach.

Das Gelände vor ihnen war leicht ansteigend. Kein Baum, kein Graben bot Deckung. Nur Wiesen und Felder trennten sie von dem kleinen Wald in dem sich die Rebellen verschanzt hatten. Dafür gab es auf dem Weg dorthin eine ganze Menge Zäune, die überstiegen werden mussten. Kein Schuss fiel. Nur das Geschrei der Männer war zu hören. ,Wo bleiben die Geschütze’ dachte Sebastian, als er in Windeseile einen Zaun überquerte. In der Linken hielt er einen sechsschüssigen Armeerevolver, in der Rechten seinen Offizierssäbel. Immer wieder wandte er sich um, doch die Männer folgten ihm mit glühender Begeisterung. immer näher kamen sie dem Wäldchen. Noch immer krachten keine Schüsse, war kein Kanonendonner zu vernehmen. Vielleicht noch zweihundert Meter, dachte Sebastian. Während er rannte fiel ihm ein, wie sie von den Konföderierten schon einmal geblufft worden waren. Sollten sie diesmal wieder nur leere Stellungen vorfinden? Er musste grinsen. In diesem Moment brach das Inferno los. Um ihn herum strauchelten, fielen die Männer. Die Hurrah-Rufe wurden durch Schmerzensschreie übertönt. Aus dem Wäldchen zuckten kleine weiße Blitze auf. Pulverdampf formte sich zu Wolken, die nun herüber zogen. Mindestens die Hälfte der Männer, die gerade noch vorwärts gestürmt waren, lagen nun auf dem Feld. Sebastian rannte unbeirrt weiter, schrie, schrie irgendwas. Von den Männern, die er gerade noch angeführt hatte, waren nicht mehr viele übrig geblieben. Doch der Pfälzer Fahnenträger lief noch neben ihm. Stolz hielt er das flatternde Tuch in die Höhe. Er lachte dabei. Da gefror sein Lachen ein. Er stolperte noch ein paar Schritte vor, riss die Augen weit auf und aus seinem Mund quoll plötzlich dunkles Blut. Er schrie nicht, fiel nur hin, schaute noch einmal ungläubig zu dem kleinen Wäldchen, dass er nie erreichen würde und ließ seinen Kopf dann ganz langsam auf das Gras sinken, die Fahne neben ihm. Sebastian wandte sich um. ,Die Fahne’ fuhr es ihm durch den Kopf, ,ich muss die Fahne retten. Amalie hat sie doch gemacht’. Er wandte sich um und bückte sich. In diesem Moment spürte er einen Schlag gegen den Kopf, dann wurde es schwarz um ihn.

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Stille, Totenstille. Es war finster und so kalt. ‚Ich bin tot’, dachte Sebastian. Sein Kopf schmerzte fürchterlich. Er tastete sich an den Hinterkopf. Da war eine Stelle, die entsetzlich weh tat, wenn er sie berührte. Er nahm die Hand weg, berührte mit der Zunge die Fingerspitzen und schmeckte Blut. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis. Was war passiert? War die Schlacht gewonnen oder verloren? Er selbst tot oder lebendig? Mühsam richtete er sich auf. Die Erinnerung kam langsam wieder. Aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Er wusste noch, dass er dieses Feld entlanggerannte war, geschrieen hatte, doch dann war nichts mehr in seinem Kopf.

Er kam auf die Beine. Achtlos trat er auf die Fahne, die noch neben dem toten Pfälzer lag. Er bemerkte sie nicht.

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